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Dienstag, 30. Oktober 2012

Von Herzlichkeit und Geld


Die Vögel singen nicht nur da, wo der Hahn kräht. Wir haben nicht alle die gleichen Instrumente, aber die Mucke ist überall geil.

Ich habe mich oft gefragt, braucht es wirklich Wohlstand und Reichtum, um Großes zu leisten? Spornt es den Menschen mehr an, sein Potenzial auszuschöpfen, wenn er alles hat? Ich glaube, es ist vermessen und überheblich zu sagen, dass Leute, die kaum genug zum Leben haben und der Armut ausgesetzt sind, dumme Leute sind, die es zu nichts bringen können. Es ist richtig, dass es viel schwerer ist, Dinge zu verwirklichen, wenn einem keine Bildung zu Teil wurde und man täglich ums Überleben kämpfen muss. Jedoch – genau das macht einen viel stärker, als sich von Tag zu Tag von seinem Chauffeur zur Arbeit fahren zu lassen und seine Rente bis ans Lebensende sicher zu haben.

Vermögend zu sein, heißt nicht zwangsläufig, untätig zu sein, aber es kann einen doch schnell vom Boden unserer sozialen Dringlichkeit entrücken. Man ist ständig gefordert, sein Vermögen zu erhalten und läuft schnell Gefahr, in eine Welt aus Glanz und Gloria abzudriften, die ihre ganz eigene Einkaufsliste mit sich zieht. Doch untätig ist, wer nimmt ohne zu geben. Allein durch das Anhäufen von materiellen Werten, erreichen wir nichts, wenn wir nicht etwas weitergeben, Spuren hinterlassen, die zählbar sind – aber nicht nur auf dem Papier.

Herzlichkeit und Geld sind nicht die besten Freunde, aber sie haben sich verdammt viel zu erzählen. 

Bequemlichkeit ist eine ausdauernde Hure.

Die Angst davor, etwas zu verlieren, ist viel größer, als der Wille, etwas zu ändern, und Reichtum scheint die ideale Medizin, jedoch sind die Nebenwirkungen von denselben Symptomen durchflossen, die man eigentlich lindern wollte. Ein Herz voll Liebe lässt sich einfacher herumtragen, als ein Herz aus Stein, aber es kann auch viel leichter zerbrechen.  

Der Ring, den Gollum von der Habgier nach Macht und Reichtum beseelt mit sich herumträgt und der ihn in den Wahnsinn treibt, ist die Geißel des Geldes, die Kehrseite der Grenzenlosigkeit. Wir verändern nicht – wir werden verändert. Es fällt schwerer einen Diamanten herzugeben, als ihn gar nicht erst aufzuheben.

In unserer heutigen Zeit haben sich das Ansehen, der Respekt und der Einfluss – ja vorallem die Macht – in der westlichen Welt verschoben. Die allgegenwärtigen Herrscher und Geistlichen wurden durch große Finanzbosse ersetzt, die – eben begünstigt durch das Geld – bei allen wichtigen Entscheidungen ihre Finger im Spiel haben und überall hin ihre Fühler ausstrecken. Es ist kaum vorstellbar, ohne Geld nennenswert etwas zu erreichen. Werte wie Geburt und Gottesvertretung sind nicht mehr das oberste Gesetz, obwohl sie natürlich überall auf der Welt noch herumgeistern. Aus unseren Breitengraden haben sich diese Wetterfronten verzogen – sie sind aus der Mode gekommen.

Wenn ein Vorsitzender entscheidet, werden irgendwo auf der Welt Regenwälder dezimiert, tausende Menschen in die Arbeitslosigkeit entlassen oder Gesetze ausgebessert. Die Politik darf es dann verkünden.

Es ist nicht so, dass Geld früher keinen Einfluss gewährt hätte. Wenn man sich mächtige Klans wie die Fugger anschaut, wird man schnell vom Gegenteil überzeugt. Nur ist es heute das einzig akzeptierte Zahlungsmittel. Es geht nur ums Geschäft und da ist alles recht und billig.

Im Prinzip machen wir uns es damit sehr einfach und geändert hat sich auch nicht wirklich sehr viel. Der scheidende Vater kann immer noch seinen Sohn in den Vorstand des Unternehmens berufen, wenn die überzeugten Teilhaber brav abnicken oder der gewiefte Atheist von heute gründet eine kapitalistische Sekte von gestern und gibt ihr eine Verfassung von vorgestern. Kein Problem. 

Geld macht Menschen zu Dienstleistern. Sie bieten einen Dienst an und leisten für eine Gegenleistung etwas. Bis dahin ist alles gut, denn anders passen unsere vielfältigen Bedürfnisse und Abhängigkeiten nicht zueinander. Mein Dach ist kaputt, also wende ich mich an einen Dachdecker, der es repariert, und bezahle ihn dafür. Doch Geld verändert auch den Umgang von Menschen zueinander. Früher gab es Sklaven. Sie waren laut irgendwelchen weit hergeholten Bestimmungen niedere Wesen, deren Aufgabe es war, zu dienen. Auch eine Art, die Feldarbeit des Betriebes ökonomisch abzuwickeln. Doch die Sklaventreiber der Vergangenheit, die noch in den Kolonien ihr Unwesen trieben, hat unsere Zeit nicht vertrieben. Es gibt immer noch genug Menschen, die 'Dienstleistung' mit 'Dienen' verwechseln. Sie glauben, einen Menschen zu bezahlen, gibt ihnen das Recht, sich über ihn zu stellen, ihn nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Als Arbeitnehmer kommt man schon mal ins Schwärmen. Aber es gibt genug andere Entfaltungsmöglichkeiten. Die globalisierte Billigproduktion ist teilweise nichts anderes, als moderner Sklavenhandel. Immerhin bekommen die Angestellten einen Lohn (im Idealfall), aber Niemand würde aus freier Entscheidung trotz  dessen, mit ihnen tauschen wollen. Der Urlaub in einem Hotel ist allzu oft auch ein Paradies für moderne Sklaventreiber. Es bleibt zu bedenken, wenn Jemand einen Job erledigt, dann sollte er sein Bestes geben und all das tun, was zu seinem Aufgabenfeld gehört. Wenn Jemand Geld für diese Dienstleistung während seines Urlaubs bezahlt, sollte er dies zumindest verlangen können. Mehr aber auch nicht. Geld geht auch immer mit Respekt für die Leistung einher und vorallem für den Gegenüber – als Mensch.

Es gibt sicherlich immer noch Kulturen, die einzelne Teile ihrer Gesellschaft über andere erheben, aber genauso gibt es auch Kulturen, in denen dem Geld nur eine sehr geringe Bedeutung zu Teil wird.  

Leider verstehen wir erst am Ende unseres Lebens, wenn der Vorhang sich langsam schließt und all die Zuschauer die Ränge verlassen, wenn das Licht ausgeht und nur noch Dunkelheit um uns herrscht, was wir das ganze Leben nicht gesehen haben. In diesem Moment verstehen wir erst, dass all die fadenscheinigen Tarnumhänge, mit dem wir uns in unserem Leben umgeben haben, am Ende eine Nichtigkeit waren. 

Zu leicht lassen wir uns vom Geld blenden, umgeben uns mit materiellen Gütern, mit einer leeren Hülle, die uns Gehör verschaffen soll, wobei es so viel mehr gibt, wofür es sich lohnt, einzustehen. Nicht das Geld spricht in Wahrheit, sondern wir. Wir sind mehr als unsere Jacke, unser Auto und unser Haus. 

Um noch einmal auf die Anfangsfrage zurückzukommen: Braucht es wirklich Wohlstand und Reichtum, um im Leben etwas zu erreichen? Laut Forbes-Liste schon. Es wird meist der Fokus auf das Große gelegt, auf große Geldverschiebungen, auf große Siege in großen Kriegen, die auch keinem sonderlich anderen Zweck dienen, als das Vermögen zu erweitern, aber auch Menschen, die nicht mit solchen Mitteln ausgestattet sind, erreichen Dinge, die genauso, wenn nicht oft sogar viel höher zu bewerten sind.

Ein Beispiel für kleine Siege, aus denen mit der Zeit auch große Siege der Menschlichkeit werden können, sind die Bemühungen von Friedensaktivisten wie der Pakistanerin Malala Yousafzai, die mit einem unglaublichen Mut schon im Alter von elf Jahren (2008) Position gegen die Taliban bezog und in einem Blog für den BBC kritisch über sie berichtete und vorallem bemängelte, dass Mädchen quasi keinen Zugang zu Bildung bekämen. Jeder kann etwas erreichen, dies muss nicht immer bedeuten 'einen Haufen Geld zu verdienen'.

Malala Yousafzai
 
Es gibt allerdings auch Menschen, die genau das getan haben. Sie haben einen riesigen Haufen Geld angesammelt. Ein Paradebeispiel hierfür ist ein Mann, der als Computer-Nerd in Harvard den Grundstein für einen späteren Software-Giganten legen sollte. Bill Gates machte Microsoft zu einer Marke, die weltweit ein Begriff ist, und häufte Milliarden an, was ihm einen Platz in der Topriege der Finanzschwergewichte bescherte. Doch Geld allein macht nicht glücklich. Was macht man, wenn man so viel hat, dass man gar nicht mehr weiß, wohin damit? Bill Gates entschloss sich mit seiner Frau Melinda zu geben. Sie gründeten ihre eigene Stiftung und setzen sich seitdem für eine Vielzahl humanitärer Projekte ein. Ein hohes Maß an finanziellen Mitteln, welches an den richtigen Stellen eingesetzt wird, hat eine enorme Potenz.

Bill Gates

Ein weiterer Baustein ist der Ansatz von Muhammad Yunus, einer der Väter des Mikrofinanzwesens, der als Leiter der Grameen Bank Kleinstkredite an seine Klienten vergab, um ihnen zu helfen, der sozialen Ungerechtigkeit zu entrinnen. Er entwarf ein Konzept, wonach Unternehmen nicht nur auf maximalen Gewinn zielen sollten, sondern mit ihren Erlösen zur Lösung dringender Probleme unserer Umwelt und unseres sozialen Miteinanders hinarbeiten sollen. Ein 'sozialer Kapitalismus'.

Muhammad Yunus

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir Geld nicht versickern lassen, wo mehr als nötig vorhanden ist, sondern es an Stellen umleiten, wo es gebraucht wird, aber ebenso das soziale Engagement wertschätzen, welches nicht zwangsläufig finanzielle Absichten hat. Erst dann ist die Geißel ein Freund, erst dann finden Herzlichkeit und Geld zusammen.

Samstag, 27. Oktober 2012

All die Träume dieser Welt

Wir laufen im Wind
Laufen, wo wir sind
Gestrandet, verloren, verkauft
Wir sind, wer wir sind, so ist der Brauch
Wir geben nicht auf
Mag es brennen, es donnert, verloren die Zeit
Was gestern noch war, scheint schon heute so weit
Gestorben, geboren, verbraucht
Alles in Schutt und Asche der Rauch

Es lockt doch zum Träumen
Wo Hoffnung nicht fern
Träume sind unser – mitunter
Träume sind unser – und munter
Und ich hab sie gern

Alles verblasst im Strom der Gezeiten
Doch alles bleibt in den Ewigen Weiten
Wir stehen hier wieder und wieder
Schreiben Worte, singen Lieder
Machen uns lächerlich
Doch so einfach ist das nich
Bitte verbesser mich
Was Falsches gibt es nich
Alles hat seinen Platz
Alles hat seine Zeit
Alles sagt dann ein Satz
Wenn ein Wort nicht reicht

Unser Glaube bestärkt uns, was immer er ist
Und du bist nur am Hadern, bis du ins Schwarze triffst
Bis du findest, bevor du vergisst

Träume, sind sie wahr, wenn sie vergehen
Können Blinde besser sehen
Was nützt dir Geld, wenn es fällt
In dieser Welt, in der nichts hält

Wir können unsere Tränen sehen
Wie sie ihre Wege gehen
Wie sie ewig um uns wandern
Was hat Bestand dann
Was bist du selbst ohne die Andern
All das Leid dieser Welt
Ist was uns zusammenhält

Samstag, 20. Oktober 2012

Die Macht der Musik

Während die Kohlensäure in einem Glas erkaltet, kann sich längst Staub über die Welt, wie wir sie heute kennen, gelegt haben. Es entschwindet alles so schnell. Jeder Tag schreitet voran, in der Hoffnung, seinem Nachfolger den Schneid abzukaufen. Die Globalisierung des Fortschritts in Perfektion. Durch ein einziges Update sind alte Gedankenmuster ausgetauscht, ein Geschäft einfach verschwunden, weil es nun eine neue Firma beherbergt, wissenschaftliche Theorien glatt überholt, Staaten geteilt, neu gegründet oder sogar am Rande des Ruins. Diktaturen fallen, während die Todeszahlen steigen und der Gedanke an Europa verliert seinen Wert, während Spekulanten sich einen goldenen Ast verdienen. Und ferne Entscheidungsträger verpacken unser aller Schicksal in vorzeigbare Codes. 

Man steht einfach nur noch da, und wünscht sich, dass sich nicht die ganze Welt innerhalb eines Tages komplett neu erfindet. Wir klammern uns an den Dingen fest, von denen wir hoffen, dass sie bleiben, eine feste Konstante im Wuselsalat bilden – bis dass der Tod uns scheidet.

Für mich ist die Musik eine dieser Konstanten. Die richtige Musik. Musik in ihrer reinen Ehrlichkeit. Diese leisen, schlichten, friedlichen, bedächtigen Worte sind nicht die Okzidentierung eines Lebensgefühls, sondern die Orientierung einer Sehnsucht, die Pfadfindung einer haltlosen Generation, eine Prämisse der Eigenartigkeit und zugleich der Weg der Demut und Achtung. Ein Drei-Minuten-Lied kann die ganze Schulzeit kompensieren – pflegte schon Bruce Springsteen zu fantasieren. Die Musik vereint Waffenbrüder und rührt Terroristen zu Tränen. Sie lässt das Herz hüpfen und die Beine tanzen. Sie steht dir bei in den Stunden der Verdammnis und ist Trostwerdung in den Minuten der Vergänglichkeit. Sie gibt jedem Land seinen eigenen Putz und verputzt die schäbigste Bruchbude. Sie gibt einer Party die Leichtigkeit und einer Hochzeit die Eleganz. Sie lebt von der Wirklichkeit und die Wirklichkeit lebt von ihr.

Für mich war Musik immer mehr als nur ein Beiwerk. Sie hat schon früh zu mir gesprochen, sich mit mir ausgetauscht. Und zweifelte ich auch schon oft an ihrem vitalen Zustand, so hat sie mich doch immer wieder von ihrer Lebendigkeit überzeugt. Sie war da, wo sie schien zu fehlen, auch wenn sie manchmal zu fehlen schien, wo sie da war. Sie strahlte in ihrem eigenen Kosmos der Unendlichkeit und ihre Unendlichkeit war das Verständnis der eigenen Ausschöpfbarkeit.

Ich habe schon immer einen stillen Konsens mit all den bedeutenden Musikern meines eigenen kleinen Planeten geführt. Sie sprachen zu mir durch ihre Lieder und ich verstand. Sie gaben mir das Gefühl, nicht alleine auf dieser Welt zu sein und ich fühlte die Tiefe, die sich in den Farben der Klänge und Worte zu einer eigenen Mystik verschmilzt. Ich war der kleine Prinz, auf der Suche nach dem Wesen der Dinge. Die Schläue des Fuchses erstreckt sich im Regenbogen des Mitfühlens und erst wenn du fühlst, dass etwas gut ist, kannst du es auch mit deinen Augen in seiner vollkommenen Stimmigkeit sehen.

Wenn die Musik eine Harfe wäre, dann wäre der Klang der Saiten das sanfte Streichen im Wind des Wohlwollens durch das die rauen und zerklüfteten Weiten zu blühen beginnen, durch das die harten Krusten der Eismeere der arktischen Gefilde ihre Unbarmherzigkeit verlieren, durch das die Explosionen des Donners wie das Schnurren eines zahmen Tigers klingen würden.

Wenn sie sich dir öffnet und dir ihr wahres Inneres anbietet und du es bis in dein Herz vordringen lässt, dann erkennst du ihren Wert und ihre Stärke. Sie hat viele Facetten. Ausdrücke der Freude, des Schmerzes, der Sorglosigkeit, der Empörung, der Ohnmacht, der Lebensfreude, der Verbitterung, der Verbundenheit, des Hasses, der Umarmung, der Gelassenheit, der Rastlosigkeit, um nur ein paar zu nennen. Wenn du sie verstehst, versteht sie dich. Egal in welcher Gemütslage du dich befindest.

All das, was sich hinter einfachen, poetischen Worten und doch in ihrer Gänze feinfädigen Kunstwerken voll von erwärmendem Glanz verbirgt, mögen ein paar kurze Fragen nicht an die Oberfläche spülen. Wenn sich die ganze Erfahrung eines Menschen in einem kurzen Text eröffnet, reißt dies den Kontinent der Menschwerdung vom Ödland der Inhaltslosigkeit. 

Erst wenn du verstehst, wirst du verstanden.

Und täglich grüßt das Murmeltier...

Es sind schon komische Wesen diese so genannten Politessen, die einen am liebsten haben, wenn man ihnen einen Gefallen tut und seinen Wagen einfach mal dreist im absoluten Halteverbot abstellt. Haben sie einen vorher kaum beachtet, so nehmen sie sich nun endlich ein wenig Zeit, schleichen sich behutsam an ihre Beute heran, um im richtigen Moment - und das ist meist genau der Moment, in dem das Heiligtum unbewacht ist - zuzuschlagen. Das arme Auto weiß gar nicht, wie es ihm geschieht, und sieht sich plötzlich umringt von einer wilden Schaar Hyänen, die es umkreisen, den Abstand immer weiter verringern, keine Fluchtchance mehr lassen und dann plötzlich, mit einer Vehemenz, die ihresgleichen sucht, zuschlagen.

Auch wenn ich jetzt als Traumtöter gelte und das so passende Bild aus dem Tierreich wieder zerstören muss: Ganz so ist es nicht! Mehr als zwei Hyänen gibt es leider - oder soll ich sagen zum Glück - nicht. So viel Geld haben wir nun auch nicht! Wer hat das schon? Und das Heranpirschen ist auch nicht so spektakulär: Ein kurzer Blick auf die Uhr, ob die obligatorischen 5 Sekunden Stehzeit verstrichen sind, auch gerne Pi mal Daumen, und dann geht es ganz schnell, ein großer Dank an die Technik! Wenn dann der Fahrer des Wagens wiederkommt, ist die Freude groß und ein Gespräch beginnt, was in etwa so viel bringt, wie einem Zeugen Jehovas klar machen zu wollen, dass man heute nichts kaufen möchte. Im Laufe dieses Gesprächs hat die gewissenhafte Strafzettelverteilerin einen Joker im Ärmel, der immer sticht. Falls das Gespräch - nennen wir es jetzt der Einfachheit halber einfach mal so - in eine Richtung abgleitet, die vielleicht nicht ganz in ihrem Sinne und Rechtsverständnis ist, gibt es den einen Satz, der alles ganz einfach macht: "Tut mir leid, ich kann das jetzt leider nicht mehr rausnehmen, es ist schon eingegeben!" Basta! Der Drops ist gelutscht! Ein Hoch auf die Technik! 

Manche mögen für diese Verfahrensweise das böse Wort "Geldmacherei" benutzen, aber da muss man vorsichtig sein, schließlich ist es ja auch nur ein Gerücht, dass Politiker diverse Nebenjobs haben, um ihrer Familie einen halbwegs erträglichen Alltag zu ermöglichen, aber um Politik geht es hier nicht oder doch? Vielleicht geht es auch eher um Bürokratie und eine gewisse Kleinkariertheit, was in der Bundesrepublik Deutschland eine gewisse Tradition hat. Gewissermaßen. Es gibt auch immer einen gewissen Ermessensspielraum, wenn dann doch Gewissensbisse aufkommen, aber hier ... gewiss nicht! Es gibt sicherlich bestimmte Vorgaben/Quoten, aber diese sollten nicht den Einzelfall vorausbestimmen. Das ist nichts anderes, als ein parteiischer Schiedsrichter. Es ist dann keine Kunst, eine Wette abzugeben, aber ich wette, diese Staatsdiener würden auch hin und wieder mal ein bisschen nachsichtiger sein, wenn sie sich das erlauben könnten. Und da kommt dann doch wieder die Politik ins Spiel. 

Ich finde es sehr schade, wenn man dafür bestraft wird, seinen Job zu machen. Es gibt genug Menschen, die von Berufs wegen manchmal auch an Stellen parken müssen, wo dies - Streng nach der Regel -  nicht erlaubt ist. Nehmen wir Fahrer von Lieferdiensten aller Art, die Pizza, Pakete, Medikamente etc. austragen. Oft bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als mal kurz den Bürgersteig zu belegen. Für mich ist ein Maßstab bei nicht ganz so eindeutigen Situationen, ob man den Fluss der Autos UND der Fußgänger behindert.  

Wenn man allerdings in Beachtung dessen während der Arbeit kurz vor der eigenen Apotheke hält, um schwere Kisten auszuladen, dann verstehe ich auch den Technik-Gag nicht mehr.
15 € kann man für weitaus bessere Dinge ausgeben. 

Ich glaube, Mensch sein heißt nicht, stur in Schablonen aus Vorschriften zu leben und wie eine Maschine daraus folgende Handlungen auszuführen. Allein mit Systemen und Handlungsanweisungen können wir im menschlichen Miteinander nichts bewirken. Ich halte es für wichtig, erst den Dialog zu suchen und zu versuchen, eine Lösung zu finden. Wenn das nichts bringt, kann man immer noch auf altbewährte Mittel zurückgreifen.

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Vom Verlieren und Wiederfinden

Eine Magie lösen die Dinge aus, die für immer verloren scheinen, doch dann plötzlich wieder zu einem finden, wenn man sie schon aufgegeben hat. Jeder hat in irgendeiner Form so etwas schon einmal erlebt und Manchem fallen sogar direkt mehrere Anekdoten ein. Man muss diesen Begebenheiten nur Beachtung schenken!

Ein Beispiel aus eigener Erfahrung:

Während meiner Botendienstfahrten kann es doch das ein oder andere Mal vorkommen, dass ich den Bürgersteig mal kurz begrüße. Im glücklichsten Fall entsteht dadurch noch nicht einmal ein klitzekleiner Kratzer auf der Prachtseite der sogenannten Zierblenden. Im nicht ganz so glücklichen Fall muss man mit ein paar Gebrauchsspuren vorlieb nehmen und dazu stehen: Nichts hält ewig! Hat man ein wenig Pech, löst sich die Radkappe bei diesem Vorgang von der Felge. Mit ein wenig Glück im Unglück fällt einem dies aber noch rechtszeitig auf. Doch wie überall gibt es auch hierbei einen Worst Case, der nämlich dann eintritt, wenn die Radkappe abgeht, aber man dies nicht bemerkt und dadurch hinterher überhaupt keine Ahnung mehr hat, wo dies geschehen ist. 

Während ich nach erfolgreicher Lieferfahrt den Apothekenparkplatz wieder befuhr und mich in langsamem Tempo in den Parkplatz schlich, ahnte ich noch nichts, doch als ich mich anschließend zur Beifahrerseite begab, um die Kisten auszuladen, fiel es mir sofort ins Auge: Die hintere Radkappe auf der rechten Seite fehlte plötzlich. Ich nahm dies in sicherer Aussicht meines ersehnten Feierabends so hin und brachte ohne Umschweife die Überbleibsel meiner Reise in die Apotheke. Ich hatte an diesem Abend kein Interesse mehr, mich darum zu kümmern, musste mir aber eingestehen, dass ich das Teil wohl nie wiederfinden würde. 

Bald darauf brachten wir den Passat in die Werkstatt zur Reparatur. Dort stand er ein paar Tage und als er wieder in Ordnung war, holten wir ihn ab. Der rechte Hinterreifen war selbstverständlich immer noch nackt, da wir vergessen hatten, dies zu erwähnen und in Auftrag zu geben.
Erst als das Auto wieder in Sichtweite auf dem Hof stand, bemerkte mein Vater das Manko. Darauf rief er bei der Werkstatt an und schilderte das Problem. Uns wurde geraten, erst einmal mit dem Wagen vorbeizukommen – im Idealfall läge irgendwo noch eine alte Radkappe herum, die die Blöße bedecken könnte. 

Kurz darauf machte ich mich auf den Weg. Als ich angekommen war, betrat ich das Gebäude und steuerte sofort auf die Verkaufsabteilung zu. Dort wurde mir weitergeholfen und nach einer kurzen Besichtigung des Autos war auch die Teilenummer des Übeltäters gefunden. Auf meinen Wunsch hin wurde die Radkappe bestellt und mir für den darauffolgenden Tag zugesichert. 

Am nächsten Tag machte ich während meiner Tour einen kleinen Abstecher ins Autoreich und hatte nach einer Weile dann endlich das heiß ersehnte Teil in den Händen. Ich drückte es an die Felge, musste kurz über den Unterschied zwischen Alt und Neu schmunzeln und setzte meine Fahrt fort. 

Als ich mit dem Botendienst fertig war, erreichte ich gerade rechtzeitig zum Feierabend die Apotheke, sah mich aber mit weiteren Lieferaufträgen konfrontiert. Ich hielt mich noch eine Weile dort auf und setzte schließlich zur letzten Runde an. Noch vor dem Einsetzen der Dunkelheit erreichte ich die Pohlhauser Straße und wähnte mich schon fast in den eigenen vier Wänden. Nachdem ich die Medikamente abgegeben hatte, fuhr ich – durch das Wohngebiet bedingt – langsam zurück Richtung Hauptstraße. Ich guckte kurz auf mein Handy und verlangsamte die Fahrt weiter. Ich stand praktisch. In diesem Moment blickte ich für den Bruchteil einer Sekunde aus dem Beifahrerfenster. Irgendetwas Silbernes streifte mein Sichtfeld und zog mich in den Bann. Dieses etwas war auf den zweiten Blick klar als eine Radkappe zu identifizieren. Ich gab nicht viel darum, obgleich ich sofort bemerkte, dass sie auch von VW war. Sie lag verloren am Wegesrand und ich saß verloren im Auto. Wir mussten einfach zueinander finden. Ich hielt vollends an, stieg aus, bewegte mich auf sie zu und untersuchte sie. Dunkle Rußspuren – schon einmal ein Anfang. Ich war noch nicht so ganz überzeugt. Doch dann ein weiteres Indiz: Markante Gebrauchsspuren neben dem Markenlogo. In diesem Augenblick wurde mir eins klar: Ich kannte dieses Etwas! Ich schüttelte mit einem breiten Grinsen den Kopf und ließ es behutsam in meinem Lupo Platz nehmen, wo es sich sofort  wohl fühlte, auch wenn es nur bedingt mit ihm verwandt war.




Manchmal finden Dinge einen, auch wenn man sie für verloren hält.