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Sonntag, 31. März 2013

Never is a moment



In der Weite dieser Welt
Bist du so einzigartig
In der Traurigkeit dieses Lebens
Bringst du mir Glück

Du bist von Kopf bis Fuß
Wunderschön wie eine Göttin
Und es gibt nicht einen Moment
An dem ich nicht an dich denke

Momente formen unser Schicksal
Zum Guten oder Schlechten
Obwohl du so weit weg bist
Versuche ich, dich in meinen Träumen zu erreichen

Du bist von Kopf bis Fuß
Wunderschön wie eine Göttin
Und es gibt nicht einen Moment
An dem ich nicht an dich denke

Montag, 25. März 2013

Die Reise nach Kolumbien

Es war einmal eine ganz besondere Spinne und genau diese machte sich auf eine Reise nach Kolumbien, aber sie hatte noch nie von diesem Land gehört. Deswegen hatte sie Angst. Sie schlenderte ohne ein wirkliches Ziel umher, jedoch trotzdem zuversichtlich.
Aber dann traf sie einen Regenwurm und fragte ihn:
„Lieber Regenwurm!“, du kennst die Böden besser als jeder andere. Ich bin auf dem Weg nach Kolumbien. Hast du schon mal davon gehört?“
„Das habe ich tatsächlich“, sagte der Regenwurm. „Sie haben wohl gute Erde dort“.
Die Spinne schöpfte wieder Hoffnung, doch dann war sie plötzlich wieder von Zweifeln erfüllt und sie fragte:
„Woher weißt du das?“
Der Regenwurm erwiderte: „Mein Onkel hat einen Freund, der dort die Böden bearbeitet und diese Böden sind wirklich gut. Sie sind sehr feucht und ergiebig, deswegen kann das nur ein gutes Land sein.
Die Spinne dankte dem Regenwurm und machte sich wieder auf den Weg. Alsbald kam sie in den Wald, wo sie ein riesiges Wildschwein traf. Das Wildschwein war sehr stattlich und hatte einen langen grauen Rücken. Zuerst war die Spinne etwas eingeschüchtert, aber dann nahm sie all ihren Mut zusammen und sagte:
„Du musst jemand sein, der sich auskennt. Ich bin auf der Reise nach Kolumbien. Hast du schon mal davon gehört?“
Das Wildschwein war ein bisschen verwundert und es sagte: „Warum möchtest du nach Kolumbien gehen?“
„Weil ich hoffe, dass in Kolumbien die freundlichsten Spinnen mit wunderschönen Spinnennetzen leben, die Tag für Tag in der Sonne liegen und den Reichtum des Landes genießen.“
Das Wildschwein seufzte: „Ich sage dir mal etwas. Viele von uns Wildschweinen sind in die Welt hinaus gezogen. Sie sind an viele Orte gekommen, auch nach Kolumbien, aber ich habe merkwürdige Gerüchte gehört, dass sie gejagt wurden und viele von ihnen starben. Ich kann nur für uns Wildschweine sprechen, aber du solltest das wissen. Die Entfernung bringt uns nicht immer nur Frieden.“
Die Spinne zitterte vor Entsetzen. Sie hatte an diese Möglichkeit nicht gedacht. Sie hatte lediglich von diesem großartigen Ort geträumt, an dem alles in bester Ordnung und aufregend war. Sie dankte dem Wildschwein unverzüglich und ging mit Zweifeln in ihrem Herzen weiter.
Dann kam sie auf eine Lichtung, wo die Tautropfen der Gräser die Sonne reflektierten. Die Spinne ließ sich einen Moment nieder, ohne an Kolumbien zu denken. Sie genoss die Sonne und die offensichtliche Vielfalt des Lebens von ganzem Herzen. Nun beschloss sie also ein großes Netz in den Halmen zu spinnen. Gesagt, getan und so war sie bis zum Anbruch der Dämmerung voll beschäftigt. Dann saß sie glücklich in der Mitte ihres Netzes und wartete auf ihre Opfer. Aber sie hatte den ganzen Tag gearbeitet und gar nichts von der wunderschönen Landschaft mitbekommen, jetzt wo es dunkel war. Also verweilte sie dort ein wenig verloren mit düsteren Gedanken und harrte der Dinge. Ich bin mir sicher, dass es fast drei Stunden dauerte, bis etwas geschah. Man vernahm ein leises Streichen und Tapsen und bald erscheinen acht kleine Beine und dann acht weitere Beine und so weiter...
Sie alle versammelten sich um das wundervolle Spinnennetz. Es war eine große Versammlung und ein jeder beäugte die einzelne Spinne. Dann brach einer von ihnen die Stille und sagte:
„Was machst du hier? Ich habe dich noch nie gesehen!“
Die Spinne antwortete: „Ich bin auf der Reise nach Kolumbien und ich bin hierhergekommen, weil es heute einfach eine wunderschöne Lichtung war, aber ich habe den ganzen Tag gearbeitet und jetzt wo ich fertig bin, kann ich es gar nicht genießen.“
Eine der großen Spinnen in der Runde murmelte: „Bleib einfach ein paar Tage, nicht wahr? Dann wirst du erkennen, wie wunderschön es hier während des Tages ist. Nun hast du ein Netz und kannst dich zurücklehnen.“
Die Spinne war einverstanden und sie sprachen die ganze Nacht über das Leben in dieser Gegend. Bei Sonnenaufgang verabschiedeten sie sich und die Spinne war wieder allein. Nun konzentrierte sie sich auf den Sonnenaufgang und die wahre Schönheit der Sonnenstrahlen, die den feuchten Boden begrüßten. Ihr wurde klar: „Hier kann man leben!“

Samstag, 16. März 2013

Der Klang der Stärke


Durchtränkte Kälte
Nur ein Mann, der sich selbst erstellte
Auf einem goldenen Tablett
So losgelöst und kokett
So fern von ferner Durchtriebenheit
So nah an naher Verfrorenheit
Keine Stimme, keine Laute
Wo man auf den Westwind baut
Es soll es sagen, so er sich traute
Sowie er in die Leere schaut

Tagein tagaus dieselbe Leier
Der Kopf so leer vom vielen Feiern
Woher wissen, ob es stimmt
Ob der Tag was Neues bringt
Und die Konzeption der Kelche
Nicht fürs Warten ausgelegt
Und auf diese ewge Weise
Hat sich sein Gemüt erregt
Ist er jede Nacht erneut gestorben
Auf der Suche ohne Ziel
Ist nie zu sich selbst geworden
Sein Geist so diffizil
So verworren in dem Rhythmus
So verloren in dem Klang
Er tut alles, solang er nichts muss
Fängt immer wieder von vorne an
Verfängt sich in den kleinsten Dingen
Träumt täglich von nah und fern
Lässt seine Mäuse springen
In der Kohärenz
Seiner Internet-Präsenz
Lernt fliegen
Den Schmerz besiegen

Wer sind wir, wenn wir bis zum bitteren Ende bleiben
Nie die geringste Schwäche zeigen
Alles sind, doch innerlich leer
Ein normales Auto im Verkehr
Aalglatt und abgebrüht
Der Schmerz, der die Wogen fühlt
Keine Form von Mitgefühl
Ein Herz aus Stein, beständig kühl
Eine Konzeption von heute
Ein Querschnitt konfuser Leute
Zu viele proaktive
Und kaum subversive
Elemente in den Ketten
In die sich unsere Mühen retten
Es ist so konklusiv
Wie ein letzter Aperitif
Sodann sich den Magen erneut vollzuschlagen
Und dann etwas Dummes wagen

Und wie sollen Kinder das verstehen
Was sie täglich mit ansehen
Wolln wir uns darin verlieren
Ein Europa nur aus Geld
Ohne zu konzeptionieren
Ein besseres Bild für diese Welt
Denn der wahre Klang der Stärke
Zeugt von einer Harmonie
In einem Berg der Werke
Frei von jeder Blasphemie

Und nun schaut er in den Spiegel
Sieht sein eigenes Spiegelbild
Fühlt erneut den Durst gestillt
Sieht sich selbst, doch niemand sonst
Doch merkt, er kann sich nicht ergänzen
Da ist noch dieser Hunger
Der in seinem Innern schlummert
Ein Gegenpol zur Egozentrik
Auch scheint er noch so unverständlich
Aus einer Welt der Sophistikation
Aus dieser Illusion
Getränkt durch das Blut der Heere
Bis sich der Tag erneut vermehre

Ein gesunder Altruismus
Ist der Weltenmechanismus
Wir können den Schein nicht wahren
Indem wir in den Urlaub fahren
Uns diese Welt ins reine trinken
In einem Meer aus Frust versinken
Einen Nihilismus pflegen
Uns über alles aufzuregen
Ohne Lösungen zu kennen
Und nur Schuldige zu nennen
Im Schein der Scheinhaftigkeit
Der Konzeptionslosigkeit
Macht das Leben nur prekär
Und das Zusammenleben schwer
In der fernen Meere Nebel Schwaden
Lasst uns die richtgen Fragen fragen

Warum Unser Essen Uns Dick Macht

Wir sind im Schnitt 19 kg schwerer, als wir es in den 60er Jahren waren. Nicht, weil wir mehr essen oder weniger Sport treiben, sondern, weil wir unfreiwillig zu Zuckersüchtigen geworden sind.

Artikel: Jacques Peretti (The Guardian UK) [11.06.2012]
Übersetzung: Michael vom Stein

Wer hat uns dick gemacht? Foto: Pat Doyle/Corbis

Am Fuße einer klapperigen Treppe im Newarke House Museum im englischen Leicester hängt ein Bild vom ersten fettleibigen Mann Britanniens aus dem Jahre 1806. Daniel Lambert wog 335 kg und war eine Kuriosität seiner Zeit. Er war zu schwer zum Arbeiten, doch nichtsdestotrotz hatte er eine geniale Idee: Er ließ sich für Geld betrachten. Lambert wurde dadurch reich. Das Bild zeigt ihn am Ende seines Lebens – als wohlhabenden und respektierten Mann. Ein wahrer Sohn Leicesters. 

Daniel Lambert


Zweihundert Jahre später sitze ich in einem Schwerlast-Rettungswagen, um herauszufinden, warum Großbritannien mitten in einer Fettleibigkeitskrise steckt. Leute wie Daniel Lambert werden hier jede Woche transportiert. 335 kg sind für die Sanitäter nichts besonders. Sie sind auf einer offenen Skala, auf der man erst mit 500 kg wirklich etwas ist, sogar noch relativ weit unten angesiedelt. Dieser spezielle Krankentransporter beherbergt allen möglichen Schnickschnack, wie zum Beispiel eine Art „medizinischen Pfannenheber“ für Leute, die aus dem Bett gefallen sind oder – wie erst vor kurzem geschehen – für einen fettleibigen Mann, der sich zwischen den Wänden seines Flures verkantet hat. Zusätzlich zum Krankenwagen gibt es noch eine ganze Armada von Hilfsfahrzeugen, so zum Beispiel eine Winde, um die Patienten auf eine verstärkte Trage zu heben. So etwas kann im Extremfall schon mal bis zu 125.000 € kosten, wie im Fall der jungen 400 kg schweren Georgia Davis.

Aber diese Leute bilden nicht das Zentrum der Fettleibigkeitskrise. Im Durchschnitt sind in Großbritannien jeder Mann, jede Frau und jedes Kind 19 Kilo schwerer, als wir es in den 60er Jahren waren. Wir sind uns dessen nicht gewahr geworden, aber dieser dramatische Anstieg zeigt sich durch größere Autositze oder Umkleidekabinen, XL-Hosen, die mittlerweile nur noch mit L ausgeschildert werden. Es ist endlos Raum nach oben und das scheint völlig normal.

Warum sind wir so dick? Die Menschheit ist an sich nicht gefräßiger, noch entgegen der allgemeinen Auffassung unsportlicher geworden. Eine Studie über zwölf Jahre, die 2000 im Plymouth Hospital begann, zeigt, dass Kinder körperlich noch genauso fit sind, wie vor 50 Jahren. Aber etwas hat sich verändert und dieses etwas ist das, was wir täglich zu uns nehmen. Um genauer zu sein, die Unmenge an Zucker in unserem Essen, derer wir uns überhaupt nicht bewusst sind.

Alles hat 1971 angefangen. Richard Nixon bereitete sich auf seine Wiederwahl vor. Durch den Vietnamkrieg hatte er viel Substanz verloren, aber auch die hohen Kosten für Lebensmittel waren zu dieser Zeit bei den Wählern ein großes Thema. Wollte Nixon Präsident bleiben, so musste er dafür sorgen, dass die Lebensmittelpreise sich senkten und dafür musste er eine sehr mächtige Lobby mit einbeziehen – die Farmer. Nixon traf sich mit Earl Butz, einem Wissenschaftler aus dem Mutterland der Farmer in Indiana, um zu einer Einigung zu kommen. Butz – ein Landwirtschaftsexperte – hatte einen radikalen Plan, der unsere Nahrungsmittel verändern sollte, und somit auch die äußere Erscheinungsform der menschlichen Rasse.

Butz brachte die Farmer dazu, in einem völlig neuen industriellen Ausmaß zu produzieren und besonders ein Getreide anzubauen: nämlich Mais. Das Vieh in Amerika wurde gemästet – dank des immensen Anstieges der Mais-Produktion. Burger wurden größer, Pommes fetthaltiger, da sie in Maisöl frittiert wurden. Mais wurde zum Motor all der endlos vielen billigen Lebensmittel, mit denen die amerikanischen Supermärkte überflutet wurden: Ob Müsli, Kekse oder Mehl, überall wurde Mais beigemischt. Als ein Resultat der Reformen des freien Marktes durch Butz wurden amerikanische Farmer praktisch über Nacht von Provinzbauern zu milliardenschweren Geschäftsmännern mit einem weltweiten Absatzmarkt. Nach Meinung eines Farmers aus Indiana hätten die Amerikaner den kalten Krieg gewinnen können, indem sie die Russen mit ihren Maisvorräten ausgehungert hätten, doch sie entschlossen sich stattdessen dafür, Geld zu machen.

Mitte der 70er gab es bereits einen Überschuss an Mais. Butz flog nach Japan, um sich eine wissenschaftliche Entdeckung anzuschauen, die alles auf den Kopf stellen sollte: Die Massenherstellung von Maissirup oder Glucose-Fructose-Sirup, wie er in Großbritannien oft genannt wird, einem sehr süßen und klebrigen Sirup, hergestellt aus Maisüberschuss, der eben auch besonders billig war. Maissirup wurde in den 50er Jahren entdeckt, aber erst in den 70er Jahren massenkompatibel. Bald schon wurde er in jedes erdenkliche Lebensmittel hineingestopft: Sei es Pizza, Krautsalat oder Fleisch. Es verhalf Brot und Kuchen zum „frisch gebacken“ Glanz, machte alles süßer und erhöhte das Verfallsdatum von nur wenigen Tagen zu Jahren. Ohne großes Aufsehen nahmen wir immer mehr Zucker zu uns. In Großbritannien war das Essen auf unseren Tellern nun pure Wissenschaft – bis ins kleinste Korn auf maximalen Geschmack optimiert. Und dies ging an der Öffentlichkeit völlig vorbei.

Ein Produkt war hiervon besonders betroffen: Die Soft-Drinks. Hank Cardello, der frühere Marketing-Chef von Coca-Cola, berichtet mir, dass ab 1984 Cola Maissirup statt Zucker beigemischt wurde. Der Marktführer setzte ein Zeichen: Schon bald folgten andere Unternehmen. Es schien „keinen Nachteil“ an Maissirup zu geben, sagt mir Cardello. Er kostete nur 2/3 vom Zuckerpreis und auch das Risiko eines geringen Geschmacksverlustes konnte man verschmerzen,  wenn man sich die Verkaufszahlen anschaute, gerade auch weil kein eklatantes Gesundheitsrisiko bekannt war. „Wir hatten die Fettleibigkeit damals einfach noch nicht auf dem Schirm“, verrät mir Cardello.

Aber es gab ein anderes Gesundheitsthema, was damals sehr wohl auf dem Schirm war: Die Herzerkrankung. Mitte der 70er gab es rege Debatten hinter verschlossen Türen der akademischen Welt über die Ursachen. Ein amerikanischer Ernährungswissenschaftler namens Ancel Keys machte das Fett dafür verantwortlich, während der englische Wissenschaftler Professor John Yudkin von der University of London den Zucker als Ursache sah. Doch seine Arbeit wurde nicht ernst genommen, was viele, darunter auch Professor Robert Lustig – einer der weltweit führenden Endokrinologen – für eine gezielte Kampagne hielten, Yudkin ruhig zu stellen. Die meiste Kritik kam von den eigenen Kollegen, deren Forschungsarbeiten eher in die Richtung gingen, die auch die Lebensmittelindustrie anstrebte. Einer von Yudkins Kollegen zu dieser Zeit, Dr. Richard Bruckdorfer beim University College London (UCL) weiß: „Es gab eine große Lobby der Lebensmittelindustrie, besonders der Zuckerindustrie und Yudkin war sehr verärgert, dass sie einige seiner Ideen untergruben.“ „Yudkin kam einfach unter die Räder“, sagt Lustig kurz und knapp, denn es ließ sich enorm viel herausschlagen, wenn man Fett und nicht Zucker zum Missetäter machte. 

Die Lebensmittelindustrie war auf die Schaffung einer neuen Sparte aus. Eine, von der sie wusste, dass die Bevölkerung sie mit großer Begeisterung annehmen würde, da sie ja schließlich gesund sein sollte. Die fettarmen Produkte. Sie versprachen einen gigantischen Markt, der von der Angst vor einer Herzerkrankung angetrieben wurde. Aber, so sagt Lustig, es gab ein Problem: „Wenn man einer Rezeptur das Fett entzieht, dann schmeckt das ganze wie Pappe und man muss etwas anderes hinzufügen – nämlich Zucker.“ 

Über Nacht wurden die Regale mit neuen Produkten gefüllt, die einfach zu gut schienen. Fettarme Joghurts, Margarine, sogar Nachspeisen und Kekse. Bei all diesen Dingen wurde das Fett durch Zucker ersetzt. Großbritannien nahm dies an, wie kaum ein anderes Land. Gary Taubes – der Autor von „Why We Get Fat“ (Erschienen 2010 im Alfred A. Knopf Verlag, Anm. d. Ü.) – nennt dies das „low-fat-Dogma.“

Mitte der 80er stellten Gesundheitsexperten wie Professor Philip James, ein weltbekannter Wissenschaftler, der einer der ersten war, die Fettleibigkeit überhaupt als eine Krankheit erkannten, fest, dass die Menschen dicker wurden – ohne ersichtlichen Grund. Die Lebensmittelindustrie hob hervor, dass jeder selbst für seinen Kalorienverbrauch verantwortlich sei, jedoch nahmen selbst diejenigen zu, die Sport betrieben und fettarme Produkte konsumierten. 1966 hatten gerade einmal 1,2 % der Männer und 1,8 % der Frauen einen BMI von über 30 (mit dem man als adipös gilt), 1989 lagen die Zahlen schon bei 10,6 % bei Männern und 14 % bei Frauen. Und niemand erkannte den Zusammenhang von Maissirup und Fett.

Es kam aber noch etwas dazu. Je mehr Zucker wir zu uns nahmen, umso mehr wollten wir auch und umso mehr Hunger bekamen wir. Professor Anthony Sclafani, ein Ernährungswissenschaftler an der New York University, der sich mit Appetit und Gewichtszunahme beschäftigt, fiel etwas Merkwürdiges an seinen Laborratten auf: Als sie Rattenfutter fraßen, nahmen sie normal zu, aber als sie mit den industriell veränderten Lebensmitteln aus dem Supermarkt gefüttert wurden, gingen sie in nur wenigen Tagen auf. Sie wurden regelrecht süchtig nach Zucker.

Für Professor Jean-Marc Schwarz vom San Francisco Hospital, der gegenwärtig die genauen Abläufe untersucht, wie unsere wichtigsten Organe Zucker verarbeiten, entsteht dadurch eine „Flutwelle“ des Süßstoffes. Erst seit kurzem verstehen Wissenschaftler die Zusammenhänge. Im Bereich der Leber wird dieser zu Fett, was Krankheiten wie Typ-2-Diabetes hervorruft. Andere Studien fanden heraus, dass der Zucker sich sogar auf die Spermaflüssigkeit verteilt und fettleibige Menschen dadurch zeugungsunfähiger werden. Ein Forscher sagte mir, dass man schlussendlich nichts gegen die Fettleibigkeit tun müsse, weil fettleibige Menschen sich selbst ausrotten würden.

Das wichtigste Organ ist allerdings der Darm. Für Schwarz und Sclafani ist er ein hochkomplexes Nervensystem. Er ist das zweite Gehirn des Körpers, welches daran gewöhnt wird, mehr Zucker zu bekommen und unserem Gehirn dies völlig einleuchtend verkauft.

Die Zuckervereinigung (der Vereinigten Staaten, Anm. d. Ü.) unterstreicht zwar, dass der alleinige Verzehr von Zucker noch lange nicht „für Zivilisationskrankheiten verantwortlich ist“, doch das genaue Gegenteil scheint sich zu bewahrheiten. Im Februar haben Lustig, Laura Schmidt und Claire Brindis von der University of California einen Artikel in der Fachzeitschrift Nature verfasst, in dem sie schrieben, dass aus wissenschaftlicher Sicht immer wahrscheinlicher wird, dass Fruchtzucker den Anstoß für Prozesse geben kann, die zu einer Lebertoxizität und einer Vielzahl weiterer chronischer Krankheiten führen. Im März berichtete die New York Times zudem von einer Studie, welche in der Fachzeitschrift Circulation veröffentlicht wurde, nach der Männer, die gesüßte Getränke tranken meistens eine 20%ig höhere Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes hatten als andere. David Kessler, der ehemalige Leiter der FDA (Food and Drug Administration) – Amerikas mächtigster Lebensmittelbehörde –, der auch für die Einführung der Warnhinweise auf Zigarettenpackungen in den 90er Jahren verantwortlich war, glaubt, dass Zucker durch die Verwertung im Darm und damit im Gehirn besonderes Suchtpotenzial aufweist – genau wie Zigaretten oder Alkohol. Für ihn hat er hedonistische Züge. Ihn zu essen ist „äußerst angenehm; er verschafft einem ein vorübergehendes Glücksgefühl. Wenn man solches Essen zu sich nimmt, wird man in gewisser Weise von ihm abhängig.“

Dr. Tony Goldstone aus London wertet die verschiedenen Bereiche des Gehirns aus, die bei diesem Vorgang angesprochen werden. Seiner Meinung nach ist ein Nebeneffekt der Fettleibigkeit, dass das Hormon Leptin nicht mehr richtig arbeitet. Normalerweise wird Leptin produziert, um dem Körper zu signalisieren, dass man satt ist. Bei adipösen Menschen ist dieses jedoch stark dezimiert und man nimmt an, dass ein hoher Zuckerkonsum dafür verantwortlich ist. Wenn Leptin nicht in ausreichendem Maße produziert wird, erkennt der Körper einfach nicht, wann man aufhören sollte zu essen.

Leptin wirft eine große Frage auf: Hat die Lebensmittelindustrie wissentlich Lebensmittel hergestellt, die abhängig machen, bei denen man sich nie gesättigt fühlt und immer mehr essen will? Kesslers Antwort ist eher zurückhaltend: „Haben sie sich in der Neurowissenschaft ausgekannt? Nein. Aber sie haben herausgefunden, was funktionierte.“ Dies ist ein höchst brisanter Punkt. Wenn bewiesen werden könnte, dass die Lebensmittelindustrie sich ab einem gewissen Zeitpunkt der Tatsache bewusst gewesen wäre, dass die Nahrungsmittel einen langfristig schädlichen Einfluss auf die Konsumenten haben und diese trotzdem weiter entwickelt und vertrieben hätte, würde dies den Skandalen in der Tabakindustrie in nichts nachstehen.

Die Lebensmittelindustrie redet sich seit jeher damit heraus, dass die Wissenschaft ihr keine Schuld nachgewiesen hätte. Susan Neely, die Präsidentin der American Beverage Association (der amerikanischen Vereinigung des Getränkewesens, die die gleichnamige Industrie repräsentiert, Anm. d. Ü.), sagt dazu: „Es gibt viele Studien, die einen Zusammenhang nachweisen wollen, aber ich habe bisher keine Studie gesehen, der dies gelungen ist.“ Aber es sieht so aus, als würde sich daran bald etwas ändern. Die Professorin Kelly Brownell von der Yale University, eine der führenden Expertinnen in Sachen Fettleibigkeit und deren Ursachen, ist sich sicher, dass die Wissenschaft bald so eindeutig sein wird, dass nur wenige Jahre darauf ein erster juristischer Sieg gefeiert werden kann.

Ein entscheidender Punkt im Verhältnis zwischen der Industrie und den Wissenschaftlern, die Forschung im Bereich der Fettleibigkeit betreiben, ist die Förderung. Es werden von staatlicher Seite nur wenige Mittel für diese Belange bereitgestellt, die Lebensmittelindustrie nimmt sich dieser Aufgabe jedoch dankend an. Dies hat zur Folge, dass die wissenschaftlichen Untersuchungen, die darauf abzielen, der Fettleibigkeit zu Leibe zu rücken, genauso gut dafür benutzt werden könnten, eben diesen Lebensmitteln den letzten Schliff zu verleihen. Allerdings scheuen sich viele Forscher davor, an die Öffentlichkeit zu gehen, denn sie befürchten, dadurch ihre Fördergelder zu verlieren.

Das Verhältnis zwischen der Regierung und der Lebensmittelindustrie ist auch nicht gerade einfach zu überschauen. Der britische Gesundheitsminister Andrew Lansley arbeitete bis 2009 als Aufsichtsratsmitglied für die Firma Profero, eine Marketing-Agentur die unter anderem Pizza Hut, Mars und PepsiCo zu ihren Kunden zählt. Während seiner Zeit in der Opposition wendete sich Lansley an Professor Simon Capewell (der im öffentlichen Gesundheitswesen als Arzt arbeitet, Anm. d. Ü.), um ihn in künftige politische Konzepte zur Fettleibigkeit einzubeziehen. Capewell zeigte sich sichtlich überrascht darüber, in welchem Ausmaß die Lebensmittelindustrie ebenfalls einbezogen wurde: „Das ist, als würde man Dracula zum Chef einer Blutbank machen.“ Lansley hat nie bestritten, für Profero gearbeitet zu haben und sieht darin auch keinen Interessenkonflikt, da er nie direkt mit den Kunden der Firma zusammengearbeitet habe. Und für die Regierung scheint es merkwürdigerweise unerlässlich zu sein, mit der Industrie zusammenzuarbeiten, da sonst nichts zustande käme. Aber man begegnet sich nicht immer auf Augenhöhe. Professor James war Teil eines WHO-Gremiums, welches weltweite Grenzen für Zuckeranteile erarbeiten sollte. Als das Gutachten noch in der Ausarbeitung war, geschah etwas Außergewöhnliches: Der US-Gesundheitsminister Tommy Thompson flog nach Genua, um Lobbying für die Zuckerindustrie zu betreiben. Laut James hat „so etwas nie stattgefunden“.

Michael Bloomberg, der Bürgermeister von New York, ist zurzeit darauf aus, die übergroßen Soft-Drink-Flaschen zu verkleinern, während letzte Woche Todd Putman - ein früherer Manager von Coca-Cola, öffentlich die Notwendigkeit für die Soft-Drink-Hersteller ansprach, ihren Fokus auf „gesunde Produkte“ zu setzen. Ein Wandel wird nicht einfach werden. Der Versuch, eine Soft-Drink-Steuer auf den Weg zu bringen, wurde durch massives Lobbying im Kongress verhindert. Die Soft-Drink-Industrie bezahlte eine neue Einrichtung des Philadelphia Children’s Hospital und die Sache mit der Steuer war vom Tisch. Diese Einrichtung beherbergt fettleibige Kinder.

Aber warum hat Kessler – wo er doch mit den Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen einen sensationellen Erfolg verbuchen konnte – nicht dasselbe mit den stark zuckerhaltigen industriell verarbeiteten Lebensmitteln gemacht? Seiner Meinung nach liegt das daran, dass für die Tabakindustrie im Westen schon lange alles gelaufen war, als die Warnhinweise auf die Packungen kamen. Sie hatten längst neue Märkte in Fernost, Indien und China erschlossen. Es war nicht wirklich ein Zugeständnis. Die Lebensmittelindustrie ist da schon eine ganz andere Sache. Sie ist wesentlich mächtiger, als die Tabakindustrie. Sie ist an ein komplexes Strickmuster anderer Interessen geknüpft: Arzneimittel, Chemikalien, ja sogar Diät-Produkte. Die Palette der davon abhängigen Industrien, welche Gewinne mit der Fettleibigkeit erzielen, zeigt, dass das Verhältnis der Lebensmittelindustrie zur Fettleibigkeit unglaublich verworren ist. 

Anne Milton, die Ministerin für das öffentliche Gesundheitswesen (unter Gesundheitsminister Andrew Lansley, Anm. d. Ü.) sagt mir, dass Gesetzesvorschriften zu Lasten der  Lebensmittelindustrie auf Grund der in die Höhe schnellenden Kosten des National  Health Service (des britischen Gesundheitssystems, Anm. d. Ü.) nicht ausgeschlossen sind. Die vorangegangenen Regierungen haben immer mit der Industrie zusammengearbeitet. Warum? Weil die Lebensmittelindustrie Hunderttausende Arbeitsplätze schafft und Milliarden umsetzt. Sie ist ungeheuer mächtig und jeder Politiker, der sich ihr in den Weg stellt, macht sich damit nicht gerade Freunde. „Eins möchte ich klarstellen“, betont Milton trotz alledem, „ich habe keine Angst vor der Lebensmittelindustrie.“

Und ich glaube ihr, denn im Moment gibt es etwas, wegen dem man sich weitaus mehr Sorgen machen muss. Dies wird wohl eintreten, sollten die Kosten des National Health Service im Bereich der Fettleibigkeit, die sich derzeit auf 6 Milliarden Euro im Jahr beziffern, die Einnahmen aus dem Snack & Süßwaren Sektor des Vereinigten Königreiches übersteigen, welche gegenwärtig 10 Milliarden Euro im Jahr einbringen. Dann wird es eine recht einfache Lösung gegen die Fettleibigkeit geben.